Quick and dirty?
(Maximilian Sterz)
"Quick and dirty" sei das Bloggen - es war relativ klar, dass diese Plattitüde im Laufe der Lesung der jetzt.de-Blogstipendiaten fallen würde. Auf die Veranstaltung im Literaturhaus traf dies im großen und ganzen allerdings nicht zu.
Als es endlich losging (und es ging mit ungefähr 45 Minuten Verspätung los), lasen die auserwählten Blogger zunächst völlig unvermittelt jeweils einen kurzen Text aus ihrem Repertoire - quick and dirty sollte das wohl wirken. Tat es aber nicht.
Nach einigen einführenden Worten von jetzt.de-Chefredakteur Dirk von Gehlen waren wieder die Blogger an der Reihe: Die Autoren von Netzpolitik.org, Jackpot Baby!, Yet Another Indie Disco und Bloggen für den Weltfrieden sowie die jetzt.de-Langzeituserin Rose Jakobs gaben einen Einblick in ihr bloggendes Schaffen, jeweils unterbrochen von kurzen Analysen des Literaturwissenschaftlers Eckhard Schumacher von der LMU.
Der popliterarisch versierte Germanist tat sich allerdings schwer mit einer Einordnung des Phänomens "Bloggen" und konstatierte neben dem hohen Subjektivitätsgrad vor allem Ähnlichkeiten zu den Fanzines der achtziger Jahre: Die vorgestellten Blogger seien alle irgendwie Fans, der eine Linux-Fan, der andere Deichkind-Fan, der nächste gehe eben gerne auf Festivals usw.
Auch die Auswahl der Blogstipendiaten dürfte bei manchem Beobachter leichtes Kopfkratzen hervorgerufen haben - neben öffentlicher Aufmerksamkeit geht es bei dem Projekt schließlich auch um die finanzielle Förderung der Blogschreiber. Ob ein "Blog-Stipendium" beim ehemaligen Viva-Moderator Nilz Bokelberg oder beim Netzpolitik-Aktivisten Markus Beckedahl wirklich gut aufgehoben ist?
Beide sind im Grunde Medienprofis mit großer Erfahrung - verborgene Perlen und unbekannte Schätze der Blogosphäre aufzuspüren wäre wünschenswert und vielleicht auch ein bisschen interessanter gewesen, als auf bekannte Größen zurückzugreifen (netzpolitik.org bringt es nach Eigenauskunft auf ca. 10.000 Leser pro Tag).
Persönlicher gefärbtes Bloggen war mit Yet Another Indie Disco und Rose.jetzt.de zwar vertreten, wobei die Auswahl letzterer fast schon ein bisschen nach Quote roch - ein jetzt.de-User musste wohl mit dabei sein. Interessant waren die Wechselwirkungen zwischen Print- und Online-Ausgabe des vom Leipziger Trio Nico, Piwi und Guido betriebenen Fanzines Jackpot-Baby (welches bezeichnenderweise nicht von der jetzt.de-Redaktion sondern von den Lesern ausgewählt wurde.)
Insgesamt hätte man sich von der Veranstaltung mehr erwarten dürfen. Die selbstorganisierten "Bayerischen Bloglesungen" versprühten jedenfalls wesentlich mehr persönlichen Charme als der doch recht anstrengende Abend im Literaturhaus. Für das nächste jetzt.de-Blogstipendium (sollte es eine Fortsetzung des an und für sich schönen Projekts geben) bleibt zu hoffen: Wenn schon "quick and dirty", dann aber richtig!
(K)eine Aufregung
(Lisa Sonnabend)
Blogs sind kein Journalismus - daraufhin hat man sich weitgehend geeinigt in der Blogosphäre und unter Blogexperten. Aber sind Blogs womöglich Literatur? Dieser Frage sollte gestern Abend im Literaturhaus nachgegangen werden. Jetzt.de hatte zum Bloggertreffen geladen.
Die Macher von fünf Blogs, die das jetzt.de-Stipendium – sprich ein Praktikantengehalt von 300 Euro im Monat – erhalten hatten, lasen einige ihrer Texte vor. Und die Frage nach dem literarischen Gehalt von Blogtexten war an diesem Abend schnell beantwortet.
Nach 50 Minuten Verspätung beschlagnahmten plötzlich Rose Jakobs, Markus Beckedahl von netzpolitik, Walter Wacht von Yet Another Indie Disco, Nilz Bokelberg von Bloggen für den Weltfrieden, Guido, Nico und Piwi von Jackpot Baby sowie Jetzt.de-Chefredakteur Dirk von Gehlen die Bühne. Ohne ein Wort zur Begrüßung begannen die Blogger zu lesen. Manche aufgeregt, manche selbstbewusst und andere nuschelnd.
War das jetzt Blog? Oder Literatur? Oder Tagebuch? Oder womöglich doch Journalismus? So richtig wusste dies am Abend keiner. Und weder Dirk von Gehlen noch der eingeladenen Literaturdozent der LMU Eckhard Schumacher trugen dazu bei, diese Frage zu klären.
Der Literatur am nächsten kam sicherlich Rose, die nicht nur mit ihren komisch-tragischen Geschichten vom Ausgehen in Köln, sondern auch mit ihrer Schreibweise begeisterte. Zudem hatte sie sich die Mühe gemacht und zu der Geschichte passende Fotos an die Wand geworfen. Das war poetisch. Die meisten Nachwuchsliteraten könnten dies nicht besser.
Für einen großen Poeten hielt sich der ehemalige Viva-Moderator Nilz Bokelberg, der in seinen Einträgen von Gesprächen erzählt, in denen sich Mitmenschen zum Affen machen und er als Held von Dannen zieht. Komischerweise kam er beim Publikum am besten an.
Die zwei Musikblogs Yet Another Indie Disco und Jackpot Baby konnten inhaltlich sehr überzeugen – und haben die 300 Euro Förderung sicher verdient. Auf einer Literaturbloglesung hatten sie allerdings wenig zu suchen. Vor allem dann, wenn die Technik nicht richtig funktioniert und es jedesmall zwei Minuten dauert, bis das Video, das man anklickt, los geht. Und so fragten zwei aufgeregte Mädchen nach der Vorstellung: "Die haben immer von Fanzines geredet. Was ist das denn?"
Dann war da noch Markus Beckedahl, der über Aktionen berichtet, wie als Linux-Pinguine Verkleidete eine Microsoft-Lobbyparty im Berliner Stadtparlament stören. Bei ihm kommt keine Literatur raus, sondern Politik. Er stellt Gegenöffentlichkeiten her und macht damit doch eine Art Journalismus. Markus Beckedahl hat sicherlich recht, wenn er sagt: "Blogs sind für mich lediglich eine Technik. Sie ermöglichen es jedem zu publizieren. Und das ist das Tolle daran." Literatur sind nur die wenigsten. Das macht aber nix.