Abgrenzung und Anders-Sein als
politisches Statement thematisiert die sehenswerte Ausstellung „Oh
Girl, It's a Boy“ im Münchner Kunstverein. Anno dazumal war
dies ein probates Mittel für queere und feministische
Gegenwartskünstler, um sich schlagkräftig und effizient in
einer patriarchalisch-homophoben Gesellschaft zu positionieren. Der
Titel der aktuellen Sammlung spielt auf die viel beachtete
Ausstellung „Oh Boy, It's a Girl“ an, die bereits vor 13 Jahren
im Kunstverein die normative und performative Natur der
Geschlechteridentitäten wegbereitend verhandelte.
Zwei Gegensätze in der
Genderdebatte werden thematisiert: der Kampf um Integration und
Gleichberechtigung und das identitäre Bestreben sich von
normativen Mustern abgrenzen zu wollen. Darüber hinaus wird die
folgerichtige Frage gestellt, welchen Wert Differenz in einer
Gesellschaft hat, die sich diesen Wert scheinbar für ihre
ökonomischen Zwecke angeeignet hat.
Individualismus, Abgrenzung und
Queerness wurden von Medien und Marketingstrategen längst als
Köder entdeckt, der einer breiten Masse ihre kreative
Einzigartigkeit suggerieren soll. Jenes Anders-Sein, das man sich,
ohne sein Hirn einschalten zu müssen, zum Dumpingpreis bei H&M
anziehen kann, um dann mit ein wenig „Glück“ in einer von
vielen Casting-Shows zu landen.
Zu sehen gibt es u.a. paradiesische Szenen
mit Madam & Eve bzw. Adam & Steve, deren schwul-lesbische
Enstehungsgeschichte als Talkshow-Ereignis in 13 Bildstationen von
der amerikanischen Künstlerin Kaucylia Brooke nacherzählt
wird.
Die Österreicherin Doris Magreiter berichtet in ihrer
Video Installation „The She Zone“ von einer Shopping Mall in
Dubai, die Frauen das Einkaufen ohne Verschleierung ermöglicht.
Männer müssen leider draußen bleiben!
Als
historisches Projekt beeindruckt die Arbeit der Berliner
Künstlerinnen Pauline Boundry und Renate Lorenz. Sie erforschten
das Leben der selbstbewussten Hausangestellten Hannah Cullwick, die
sich im viktorianischen England als junger Mann oder schwarzer Sklave
fotografisch inszenierte und eine sado-masochistische Beziehung zu
Arthur Mumby, einem Mann der bürgerlichen Klasse, pflegte.
In einer weiteren Video-Installation
proklamiert ein gealterter John Giorno, der schlafende Mann aus Andy
Warhols Film „Sleep“, eine sehr verbreitete Form des
Anders-Seins: „Just Say No to Family Values!“ Eine schlichte
Entsagung als Lösung aller Probleme. Schön, wenn das Leben
so einfach wäre.
Oh girl, It's a Boy!
bis 25.11.2007 und
12.01 bis 25.02.2008
Kunstverein München
Galeriestr. 4
80539 München