Kindertheater, nicht im Sinne von Theater für Kinder, sondern ganz im Gegenteil, Kindertheater für Erwachsene gab es am Wochenende auf dem Spielart-Festival zu sehen. Der englische Performance-Künstler Tim Etchells erarbeitete mit 16 belgischen Kindern im Alter von acht bis 14 ein Stück, das sich eindringlich und nachhaltig mit der Bevormundung durch Autoritäten beschäftigt.
In Reih und Glied vor einer Turnhallenkulisse stellen sich die jungen Performer souverän und bestimmt vor ein erwachsenes Theaterpublikum, skandieren in rhythmischer Einigkeit, mitunter vorwurfsvoll, was ihnen tagtäglich von ihren Eltern und Erziehern erklärt, (an)getan und zu verstehen gegeben wird: „Ihr sucht Klamotten für uns aus, Ihr seht uns beim Schlafen zu, Ihr erzählt uns Geschichten“. Die Mythen und Sichtweisen der Erwachsenen formen die Wahrnehmung ihrer Kinder, schweißen sich ein in ihr Unbewusstes, prägen sie für das ganze Leben.
Etchells Bühnenkinder wehren sich gegen diesen schleichenden Eindringling, der ihnen die Welt in ein Märchenland verzaubern will und konfrontieren sich und das gebannte Publikum mit all den Aussagen, die ihrem Leben Sinn verleihen sollen. Eine Reflexion findet statt – auf beiden Seiten. Dabei hört man diesen Kindern zu, nimmt sie ernst und hinterfragt jede einzelne pädagogische Maßnahme auf ihre Bedeutung für das Leben und Existieren in dieser Welt.
Als Regisseur verleiht Tim Etchells, selbst Vater von zwei Kindern, seinen jungen Performern eine professionelle Bühnenpräsenz. Sie sind „imstande, einfach dazustehen und sich anschauen zu lassen“ und spüren „die Bedeutung der Dinge, die sie sagen, oder dessen, was sie tun.“ Als Lehrer vermittelt Etchells seinen „Zöglingen“ jene Disziplin, die vonnöten ist, um vor den Erwachsenen in ihrer Souveränität ernst genommen zu werden.