Dennis Buchmann, der U-Bahn-Blogger von Muenchenblogger, hat den Scoop gewonnen, einen mit 500.000 Euro dotierten Preis von Axel Springer. Sein Konzept für ein neues Medienprojekt hat sich gegen fast 2000 andere Ideen durchgesetzt, gestern wurde dies öffentlich bekanntgegeben. Nun ist Dennis nach Berlin gezogen und entwickelt dort das Magazin "Humanglobaler Zufall".
Wie bist du auf die Idee zu dem Magazin gekommen? Während einer U-Bahnfahrt?
Ich war zur Zeit der Idee in Frankfurt bei der "Rundschau". Und da Frankfurt nur so eine Pseudo-U-Bahn hat, so eine olle Straßenbahn, die auch mal im Tunnel fährt, war es kein Vergnügen damit zu fahren. Also die Frankfurter U-Bahn ist schon mehr U als etwa in Köln, aber diese Oberleitung, nee, da kommt immer dieser Straßenbahn-Beigeschmack mit. Und da kann sich der kreative Geist nicht entfalten.
Und so fuhr ich immer mit dem Fahrrad am Main entlang zur "Rundschau" und während sich die Penner auf der Wiese nochmal umdrehten, dachte ich: Mensch, da kann man sich so unkompliziert bewerben, da muss doch was gehen. Und mir fiel ein, dass es nix, also kein Periodikum über Globalisierung gibt, obwohl das ja nun wirklich ein dickes Thema ist. Und abends fiel mir dann noch der Twang ein, dass die Geschichten Globalisierung symbolisieren sollen, indem sie miteinander über die Protagonisten vernetzt sind. Und das hab ich dann mit Bei-Ideen garniert, mit journalistischem Handwerk gefüttert und auf eine DIN-A4-Seite geschrieben. Und eingeschickt.
Der Zufall bestimmt, wer in dem Magazin vorkommt. In der U-Bahn ist das ja ähnlich, auch hier bestimmt der Zufall, wem man gegenübersitzt. Erzählst du uns noch einmal eine Geschichte über Zufall in der U-Bahn?
Ich fahr jetzt wieder U-Bahn, so ausgiebig wie noch nie. Die U6 bin ich in München von der Studentenstadt nach Marienplatz gefahren, das hat immer so eine viertel Stunde gedauert. Hier in Berlin fahr ich jetzt täglich von Charlottenburg, Halte Deutsche Oper, mit der U2 zum Spittelmarkt. Das dauert eine satte halbe Stunde fast.
Und in dem U-Bahn-Modell, das da fährt, erinnert die Sitzplatz-Anordnung an einen Hühnerstall. Man sitzt auf einer langen Bank unter dem Fenstern und guckt auf die lange Bank gegenüber. Sitzt man auf der linken Seite in Fahrtrichtung guckt man auch in den Stationen oft auf die Wand, aber die U2 fährt auch kurz oberirdisch, da kann man dann ein bisschen rausgucken. Weil nur den Gegenüber anstarren geht ja nicht.
Aber wie es der Zufall wollte, litt ich neulich olfaktorische Qualen, weil neben mir eine Dicke saß, die in Aldi-Parfum gebadet hatte. Puh, schwer wie Schweröl war das Zeug, es drohte mich zu erdrücken, ich rieb mir die Nase wie ein Hund, der von einer Biene in die Schnauze gestochen wurde. Dann ging die Frau endlich. Doch was kam: Mit der kurzen frischen Brise kamen von draußen auch zwei etwa 30-Jahrige Vollprekarier, besoffen, verraucht, lange Zeit ungewaschen also stinkend wie ein Hinterhof mit Biotonnen im Sommer.
Der vor Dreck starrende Schritt des einen war auf Höhe meines Gesichtes, es war eine schlimme optische und olfaktorische Kopplung. Während das Schweröl-Parfum auf den Magen gedrückt hatte, ging das Gefühl jetzt Richtung Erleichterung durch Vomitierung. Der Zufall hatte zwar nicht die Entdeckung des Penicillins zur Folge gehabt, aber er war in der U-Bahn und sehr emotional.
Erst hast du dich mit der engen U-Bahn-Welt beschäftigt, jetzt mit der weiten Globalisierung. Was ändert sich nun?
Von der U-Bahn-Welt werde ich nie loskommen, im Gegenteil, ich fahr ja jetzt noch intensiver U-Bahn. Letztens hatte ich auch schon wieder an den U-Bahn-Blogger gedacht, als mir folgendes passiert ist: Ich renne die Treppe hoch und höre oben angekommen das Tür-Geht-zu-Tröten. Hach mist, denke ich, gucke der U-Bahn-Fahrerin in ihr Cockpit und hebe die Arme wie man's macht, wenn man ein gediegenes, also nicht so agressives "Scheiße" denkt. Doch was macht die Fahrerin? Sie hebt die Tür-Blockade wieder auf und winkt mir zu à la, na komm schon, will ich mal nicht so sein. Sowas nettes!
In München ist mir oft das Gegenteil passiert: Ich renne zur U-Bahn und der Fahrer beobachtet mich dabei genau, wie ich schwitze und renne und er wartet noch ein bisschen ab, bis er auf den Tür-Schließ-Knopf drückt, doch dann drückt er ihn und guckt mir dabei kalt und ausdruckslos in die Augen. Und mir knallt die Tür vor der Nase zu und ich denke: "Wie schlecht muss des Fahrers Stuhl sein, dass er dadurch auch zu einem schlechten Menschen wird."
Naja, und nun ändert sich, dass ich nicht mehr in München bin und deshalb nicht so richtig über die Münchner U-Bahn schreiben kann. Aber falls mir mal eine derbe Berliner U-Anekdote passiert, die von überregionaler Bedeutung ist, log ich mich wieder ein.
Mehr Informationen zum Humanglobalen Zufall gibt es hier. Die Geschichten des U-Bahn-Blogger kann man hier nachlesen.