"Jetzt ist es keine Kunst mehr" - Genehmigte Krawalle
Unter den wachsamen Augen eines in sicherem Abstand kritisch dreinblickenden Polizisten-Pärchens fand am Samstag Abend das "Re-enactment" einiger Szenen der Schwabinger Krawalle statt, die München vor 45 Jahren in Atem hielten.
Das ganze wurde von Theatermacher Ralf Hinterding auf Film verewigt, Zuschauer und Passanten sollten sich als Statisten beteiligen. Die Publikumsbeteiligung bezog sich dabei vor allem auf drei Tätigkeiten: Das Tanzen von Twist zur Musik einiger Straßenmusikanten, das Skandieren zeitgenössischer Parolen wie "Nazi-Polizei" oder "Knüppel frei" sowie das Demolieren eines kleinen dunkelblauen Schrottautos japanischer Provenienz, das ein 60er-Jahre Polizeiauto darstellen sollte.
Während beim Tanzen und Skandieren das Interesse an aktiver Beteiligung eher mäßig ausfiel, entlud sich beim Autozerstören die Begeisterung der unverhofften Statisten. Tatkräftige Unterstützung erhielt das Theaterteam von einigen stark alkoholiserten Dauerbewohnern der Münchner Freiheit, sowie drei bis vier kräftigen Herren in Fußballtrikots und Poloshirts, die leider mangelnde Textsicherheit bewiesen, indem sie anstelle des authentischen "Nazi-Polizei" immer wieder das modernere "Wir wollen keine Bul-len-schwei-ne!" brüllten.
Am Ende hatten einige Mitglieder des zusammengewürfelten Auto-Destruktions-Teams Probleme, wieder aus ihrer Rolle herauszufinden. Selbst als die Szene längst abgedreht und im Kasten war, waren sie kaum zu stoppen. Immer wieder traten sie gegen das arme kleine Auto, bis ihnen Regisseur Hinterding durch sein Megafon erklärte: "Jetzt ist es aber keine Kunst mehr".
Genau. Denn die Grenze zwischen Kunst und Leben war spätenstens überschritten, als sich ein kleiner dicker Randalierer mit kurzgeschorenen Haaren und Birkenstock-Sandalen an der zerbrochenen Windschutzscheibe in den Finger schnitt. So endeten schließlich sogar die nachgestellten Schwabinger Krawalle blutig. Ein bisschen zumindest.