Das Gehirn ist zwar eines der kompliziertesten Dinge im Universum, es liegt aber gleich hinter der Nase! Dieser ebenso banalen wie folgenreichen Erkenntnis von Filmemacher Michel Gondry haben wir „Science of Sleep – Anleitung zum Träumen“ zu verdanken.
Nun scheint das Filmemachen an sich ja auch nicht kompliziert: Man wählt ein Motiv hält die Kamera drauf und die Sache ist im Kasten. Das Problem ist nur: Auf dem Weg dorthin begegnet man so vielen Möglichkeiten und Entscheidungen, dass aus einer an sich einfachen Sache, doch wieder etwas sehr Komplexes wird.
In etwa so ist es mit Michel Gondrys neuem Film „The Science of Sleep“ auf deutsch „Anleitung zum Träumen“. Die Geschichte des introvertierten Erfinders Stéphane, der sich unsterblich in seine Nachbarin Stéphanie verliebt ist einfach. Das Drehbuch, in dem Stéphanes eigenwillige Traumwelt ständig mit der realen kollidiert, sie durchdringt und dadurch spielerisch aushebelt ist konfus.
Autobiographische Anspielungen und Fiktion verschmelzen. So ist der ausgewachsene Träumer und Bastler Stéphane - im realen Leben Aushilfe in einem Copy Shop, aber Showmaster seiner eigenen TV-Show im Traum, nach Regisseur Michel Gondrys eigenen Angaben sein gutaussehendes Alter Ego.
Gespielt wird Stéphane von Gael Garcia Bernal (bei uns bekannt aus Pedro Almodovars „La mala educación – schlechte Erziehung"), dem die Mädels nicht nur in seiner mexikanischen Heimat zu Füßen liegen und – ist es ein Zufall, dass der Film damit beginnt, dass Stéphane nach Jahren in Mexiko zu seiner Mutter nach Paris zurückkehrt - wohl nicht. Dort wurde übrigens in Michel Gondrys ehemaliger Wohnung gedreht usw., usw.
Aber zurück zum Einfachen. Stéphane liebt Stéphanie. Ihm dabei zuzusehen, wie er sich mit kindlichen Eifer die tollsten Sachen ausdenkt, um sie zu erobern, ist rührend. Dass seine geschlossene Fantasiewelt ihm dabei mehr und mehr im Weg steht, macht das Tragische des Films aus. Dabei sind Stéphane und Stéphanie gar nicht so verschieden. Charlotte Gainsbourg, spielt sie uneitel und zurückgenommen, aber mit Nachdruck.
In Stéphanes Traumwelt ist alles übertrieben. Übertrieben groß, übertrieben bedrohlich. Dabei entwickeln die einfachen Dinge eine skurrile Monstrosität, die zum Weinen komisch ist.
Gondrys Film zeigt wie man einfache Sachen verkompliziert und wie sich umgekehrt Komplizierte Dinge mit einfachen Mitteln darstellen lassen. Der Film ist eine Hommage an die kindliche Kreativität, an die Fantasie und an die Zeiten, in denen Special-Effects noch sichtbare Handarbeit waren.
Mit Stop-Motion-Animationen entstehen Großstadtfassaden aus Pappkarton, sieht man Riesenspinnen Schreibmaschine schreiben, verwandeln sich Papierschnipsel in einen reißenden Fluss. Am Ende reiten Stéphanie und Stéphane auf einem Plüschpferd in den Sonnenuntergang. Kitsch oder Poesie? An manchen Stellen hätte man sich vielleicht weniger Zeigefingerkreativität gewünscht.
Besonders schade ist, dass „Science of Sleep“ durch die deutsche Synchronisation viele subtile Anspielungen verliert. Dass der Träumer Stéphane auch zwischen den sprachlichen Welten umherirrt, sich zwischen Realität und Traum auch im Kuddelmuddel von spanisch, französisch und englisch verheddert, macht ihn im Original so sympathisch – im Deutschen wirkt sein spanischer Akzent gekünstelt.
Deshalb ist „The Science of Sleep –Anleitung zum Träumen“ vor allem im Original sehenswert.
Vor allem die Gondry-Fangemeinde und alle Liebhaber animierter Plüschtiere, werden sich aber auch von der unglücklichen Synchronisation nicht abschrecken lassen.
Website: www.science-of-sleep.de
Science of Sleep – Anleitung zum Träumen. Regie: Michel Gondry. Mit Gael Garcia Bernal, Charlotte Gainsbourg, Alain Chabat, Miou-Miou, Aurélia Petit, Sacha Boudro. 105 Minuten. Frankreich 2005. Kinostart: 28. September 2006