Premiere von Aida an der Oper München

Aus Memphis nichts Neues

Buh und Bravo, Mut und Klischeebeladenheit: Die Neuinszenierung von Verdis Aida wird im Nationaltheater vom Publikum ungewöhnlich zerrissen aufgenommen.

Die Marke Aida wurde hierzulande in Musical, Freiluft und Hallen in letzter Zeit arg verramscht – das ferne Verona ist da aus Gründen der Tradition eine Ausnahme. Vielleicht wurden Pomp und Pappmaschee bereits bei der Uraufführung zur Eröffnung des Suez-Kanals angelegt.

Da weder dieser noch Verona so richtig nahe bei München liegen und auch die Eröffnung des Richard-Strauss-Ring- Tunnels als Anlass nicht taugt, kann Grund für die Wahl der Aida als zweiter neuproduzierter Verdi-Oper der Saison nur sein: Der Altmeister lockt das Münchner Opernpublikum verlässlich ins dann wieder randvolle Haus - wenn nur kommod inszeniert wird. Die deutlich zu Unrecht Verschreckten der Macbeth-Inszenierung können nun beruhigt zur Aida kommen.

Regisseur Christof Nel, als Lernender und als Regisseur in vielen Bereichen herumgekommen, scheint in eine Falle geraten. Vom Klischee dieser Oper entfernte er sich nur viertelherzig, das Unternehmen gelang halbwegs. Nach wie vor trägt das Gerüst der Oper, der Zwiespalt zwischen Staatsräson und privater Liebe, kunstvoll garniert mit der Doppelagentin Aida und anderen Handlungssträngen.

Vieles fängt Nel nur an, ohne konsequent in der Durchführung zu sein. Das reicht von der unpasssend reichsparteitagsartigen Kulisse – in der Dimension und Ausstrahlung aidalike wie gehabt - und einer sich leider fast permanent drehenden Bühne, über Folter und Bauchtanz in einem Bild zu einem quasi als Indianer verkleideten und dann sich auch noch so daherschleichenden Vater Amonasro.

Die Interpretation, Aida werde von Triumphsituation und dem ebensolchen Marsch der Ägypter bis zur Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit an die Wand gespült, ist deutlich mehr naheliegend als originell, als dass er derart überzogen im Katze-Maus Spiel dargestellt werden müsste.

Auch der Einfall, im an sich ausgezeichneten Schlussbild den Radames als St. Martin vom Nil sein Gewand zerfetzen zu lassen, um damit die wunde Aida zu verbinden, überzeugt nicht, da Verdi & Co bekanntlich nicht die Caritas eines verrannten Gutmenschen beschreiben wollten, sondern Amore.

Dirigent Daniele Gatti leitete äußerst gefühlvoll, das Orchester folgte ihm, die massive Buhfront gegen ihn am Ende musste verwundern. Der Bruch lag dann doch eher darin, dass demgegenüber oben auf der Bühne ein erstaunlicher kühler Schleier von Sterilität über dem Gebotenen lag.

Die Aida der Amerikanerin Kristin Lewis nutzte zwar die Chance eines vibrierenden Gospel-Timbres, in den markanten Sopraneinsätzen wirkte sie aber etwas jäh und hart.

Der figürlich und darstellerisch wenig überzeugende Radames von Salvatore Licitra erschien im Timbre bubenhaft laut, wurde allerdings schließlich mit enormem Beifall bedacht.

Makellos die Amneris von Ekaterina Gubanova, die mit dieser Leistung das Sympathiedefizit voll ausgleichen konnte, das ihrer Rolle zu Beginn anhaftet. Viel und großzügig besetztes Ballett, der Chor ein Genuss, die bekannten und so geschätzten Spezialitäten von Verdi im Vielstimmigen wurden perfekt gebracht. Bemerkenswerte Lichteffekte fehlten.

Es gab viele gelungene Bilder, wie die sich um den neu ernannten Kriegsherrn Radames bildende Rosette von Priesterinnen, diese aber eingeschränkt durch den oft gesehenen und allzu gern werktreu genannten Rahmen.

Letztlich rettete das ohne Übertreibung genial zu nennende und so noch nie gesehene Schlussbild die Aufführung mit nunmehr anrührenden Sängerleistungen. Nie wurde Dunkelheit schwärzer, nie Enge und Einsamkeit weiter dargestellt - als auf der vollen, weiten Bühne des Nationaltheaters. Es zeigte: Der Kreis schuldiger Mitmenschen ist die unüberwindlichste und unbezwingbarste Mauer, die es gibt. Das war der Triumph der Aufführung, der Eindruck dann die Begleitung auf dem Heimweg.

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